Wo sich heute der Kanuclub neben dem Campingplatz erstreckt, gab es einst ein Strandbad. „Die im heißen Jahr 1911 plötzlich zu ungewöhnlicher Blüte gelangte Badeluft forderte, da sie unbeaufsichtigt ausgeübt wurde, viele Opfer; auch gab das Leben und Treiben der Badenden in ästhetischer und moralischer Hinsicht zu Missfallen Veranlassung,“ hieß es in der Begründung für die Einrichtung des Rodenkirchener Strandbades im Jahr 1913. Um „ihre Einwohner gegen die genannten Gefahren“ zu schützen, pachtete die Stadt von der „Strombauverwaltung“ einen Geländestreifen von 3000 Meter Breite, von dem der südliche Teil zwischen zwei Buhnen für Damen und ein nördlicher Teil für die Herren eingerichtet wurde.
Öffentliche Unsittlichkeit
250 000 Mark investierte die Stadt in das Bad, das zunächst wegen der „öffentlichen Unsittlichkeit“ auf Ablehnung durch katholische Verbände gestoßen war. Dabei wurde insbesondere vor den Zuständen des Wannseebades in Berlin gewarnt. Die Kölner Sport- und Rudervereine setzten sich jedoch vehement für das Badevergnügen ein, und so erfolgte am 20. Juni 1912 die technische Eröffnung des Strandbades. Es lag im Bereich des heutigen Campingplatzes und des Kanuclubs. In den Clubhäusern finden sich noch die Fundamente der Umkleidekabinen. Und auch das Fachwerkhaus dahinter in unmittelbarer Nähe des Minigolfplatzes ist als ehemaliges Bademeisterhaus ein „Zeitzeuge“.
Nachdem die Saison gestartet war, verzeichnete das Strandbad 46 566 Badegäste, ein Jahr später waren es schon 65 537. Das Straßenbahnunternehmen der Stadt Köln erweiterte seine vollspurige elektrische Linie vom Endpunkt in Rodenkirchen bis 1,5 Kilometer vor das Strandbad. Dampfschiffe und Motorboote – es wurde eigens eine Anlegestelle eingerichtet – sowie eine Omnibuslinie bildeten weitere Transportmöglichkeiten. 500 Fahrräder fasste der eingerichtete Aufbewahrungsraum, und es gab sogar einen geräumigen Platz für Automobile. Erfrischungen gab es im „Restaurationszelt“.
Der Fall der Britz
Ein unmoralischer Vorfall ging in die Geschichte des Bades ein und war sogar eine Zeitungsmeldung in Berlin wert: der Fall der „Britz“, wie die Trennwand zwischen Männer- und Frauenabteilung heißt. „Freudig grüßten Frau’n die Gatten, die den Zaun zermöbelt hatten“, reimte die Zeitung am 6. August 1913. Doch der Sturm auf die „Britz“ war nur von kurzer Dauer, denn sie wurde bereits am 11. August 1913 schon wieder neu errichtet. Erst nach dem Ersten Weltkrieg gab es eine Lockerung der Sitten in Form einer Dreiteilung des Bades. Die Damen und Herrenabteilungen wurden durch ein in der Mitte liegendes „Familienbad“ ergänzt.
Der Ursprung des heutigen Campingplatzes ist übrigens auf die Ruderwanderer zurückzuführen. Schon vor dem ersten Weltkrieg übernachteten Ruderer in Zelten am Rheinufer. Das Ende des beliebten Strandbades kam indes mit dem Zweiten Weltkrieg. Obwohl die Besucherzahlen 1937 noch bei etwa 28.000 Badegästen gelegen hatten, wurde es nach dem Krieg nicht wieder eröffnet. Die Menschen hatten zu dieser Zeit andere Sorgen und das Gelände wurde an die Universität verpachtet. Spätere Bestrebungen, das Bad wieder zu eröffnen, scheiterten an der Verpachtungssituation – und an bürokratischen Hürden.
Der Ruf nach einem Strandbad
Heute sind immer wieder Badetote insbesondere an den Strandabschnitten in Rodenkirchen zu beklagen, da manch einer die Strömung und die Strudel unterschätzt, die außerhalb der schützenden Buhnen vorherrschen. Viele Rodenkichener sind der Meinung, dass man dies durch ein überwachtes Strandbad verhindern könnte. Ein weiteres gab es übrigens vor dem Ersten Weltkrieg auch unterhalb von Marienburg. Manch einer weiß noch davon zu erzählen. Es war ein Bootshaus mit einem ins Wasser eingelassenen Gitter, in dem die Badegäste schwimmen konnten. Noch heute sind die mit feinsten Sandstrand versehenen Strandabschnitte im Kölner Süden ein beliebtes Ausflugsziel an heißen Tagen. Wer hier den Sommer genießt, fühlt sich fast wie am Meer – kein Wunder, dass dieser Rheinabschnitt auch „Rodenkirchener Riviera“ genannt wird.
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